Warum ausgerechnet in Aktien investieren?

Wer sich nur oberflächlich mit Aktien befasst, hat schnell den Eindruck, dass Aktien eine ganz riskante Sache sind. Aber in Aktien zu investieren ist nicht riskant, wenn Sie die Funktionsweise der Börsen und Finanzmärkte etwas begriffen haben.

In den News hören wir von der Börse in der Regel nur, wenn’s „wieder einmal schlecht läuft“ und die Aktienkurse in den Keller rasseln, oder wenn einzelne Aktien wie jetzt gerade Tesla in die Höhe schiessen. Viel weniger hören wir in den News dann etwas von der Börse, wenn alles rund läuft. Und da negative Schlagzeilen sowieso länger in Erinnerung bleiben als positive, entsteht der Eindruck, dass das Investieren in Aktien riskant sein muss. Dieser Eindruck ist falsch. Es gibt risikoreiche Investitionen in Aktien, ohne Frage, aber es gibt auch Arten des Investierens in Aktien, die ausgesprochen risikoarm sind.

Es ist ganz normal, dass sich an der Börse "gute" und "schlechte" Perioden ablösen, und das in oft wilder, unvorhersehbarer Folge. Darin liegt die Würze der Börse. Die Verwalter der grossen Vermögen müssen ja mit etwas beschäftigt sein, und sie müssen laufend handeln – das glauben sie jedenfalls, um ihre Existenzberechtigung zu beweisen. Die professionellen Verwalter und Fondsmanager sind angewiesen auf kurzfristige Gewinne, und sie unternehmen fast alles, um diese kurzfristigen Gewinne zu erzielen. Ihre Boni hängen direkt davon ab! Und ihr Job. Unter anderem sorgt das für die ziemlich grosse Bewegungen an den Finanzmärkten. Die Märkte arbeiten mit einem Zeithorizont eines Quartals, also von drei Monaten.

Im Gegenzug aber sind wir nicht darauf aus, die wilden Schwankungen an der Börse zu unserem schnellen Gewinn zu machen – das ist viel zu anstrengend. Das ist Trading, eine anspruchsvolle Sache, und in den Augen vieler etwa so seriös wie Roulette: das Casino gewinnt immer. Wenn Sie nicht Vollprofi sind, haben Sie beim Trading kaum eine Chance. Oder glauben Sie wirklich, dass Sie smarter sind als die hunderttausend Vollblutprofis weltweit, die gegen Sie antreten? Glauben Sie das wirklich? Dann sollten Sie bei einer Investmentbank arbeiten!

Die unaufgeregte Art zu investieren

Es gibt eine ganz andere Art, in Aktien zu investieren: Die langfristige, langweilige, dividenden­orientierte Art, bei der Sie jedes Jahr einen kleineren oder grösseren Gewinn in Form einer Dividende einfahren, und das über zehn, zwanzig, dreissig Jahre. Und bei der Sie die Dividendenzahlungen gleich wieder in neue Aktien reinvestieren.

Hatten wir doch schon, da sind wir wieder, bei dem Beispiel mit dem Zinseszins auf der Seite zur Strategie. Nein, so hatten wir das nicht. Die Sache ist mit Aktien viel spannender als mit dem Sparen. Ich habe schon gesagt, dass das Sparmodell vollkommen out ist, und jetzt sehen Sie gleich, weshalb.

Ich habe empfohlen, dass Sie Aktien von grossen Firmen kaufen, welche seit Jahren stetig steigende Gewinne schreiben und attraktive Dividenden auszahlen. Das hat zwei Auswirkungen: Der Aktienkurs dieser Firmen steigt mit der Zeit, und die Dividenden dieser Aktien werden in regelmässigen Abständen erhöht. Das läuft darauf hinaus, dass der Zinseszinseffekt auf drei Ebenen wirken kann:

  • Der Aktienkurs steigt mit der Zeit
  • Die jährliche Dividende steigt mit der Zeit
  • Der Zinseszinseffekt wirkt auf ein immer höheres Kapital

Sie haben mit Aktien das weit bessere Ergebnis als mit Sparen oder Investieren in Obligationen, weil Sie nach einer gewissen Zeit mehr Aktien haben, welche mehr wert sind und höhere Dividenden abwerfen.

Schauen Sie sich das folgende Beispiel an:

 

Auch bei eher konservativen Annahmen – anfängliche Dividendenrendite 3%, Erhöhung des Aktienkurses und der Dividende um jährlich 3% - kommt der Effekt sehr deutlich zu tragen. Nach zwanzig Jahren mit einer jährlichen Zahlung von 1'000 Franken erhalten Sie am Ende jährlich 1'144 Franken an Dividenden; das entspricht einer Rendite von 5.7 Prozent. Und Ihr Einsatz von 20'000 Franken hat sich auch sonst gelohnt: Sie besitzen jetzt ein Kapital von rund 40'000 Franken. Beim Sparen waren’s nur 26'000. Und es gab nach 20 Jahren nur gut 800 Franken Zinsertrag, gegenüber gut 1'100 Franken Dividenden.

Auch wenn Sie nach zwanzig Jahren nie mehr eine Aktie kaufen, wird sich Ihr Kapital munter weiter vermehren: der Aktienkurs wird steigen, die Dividenden werden steigen. Wenn Sie sich jedes Jahr die Dividenden auszahlen lassen statt sie zu reinvestieren, werden Sie jedes Jahr 3% mehr erhalten. Und der Wert Ihrer Aktien wird weiter zunehmen.

Verstehen Sie langsam, weshalb einige Leute immer reicher werden? Und weil das nicht die fleissigen Sparer sind, sondern die Besitzer von Aktien?

Auch diese Milchbüchleinrechnung berücksichtigt Steuern und Spesen nicht, aber weil Sie auf diesem Weg viel mehr erhalten als beim Sparen, können Sie die Steuern und Spesen mit einem kleinen Seufzer bezahlen. Vor allem aber berücksichtigt diese Rechnung das Auf und Ab an den Börsen nicht. Es gibt keine stetige Entwicklung bei den Aktienkursen. Nicht möglich. Da hat das gefürchtete Risiko beim Investieren in Aktien die Hand im Spiel Aber langfristig ist eine Zunahme des Kurses und der Dividende wie in unserem Beispiel durchaus realistisch, falls Sie Aktien einer seriösen Firma mit durchschnittlichem Wachstum gekauft haben.

Oder liegt vielleicht noch mehr drin?

Viele Aktien haben sich in 20 Jahren nicht nur um 80% gesteigert, sondern um 200, 300 und mehr Prozent. Und Dividendenerhöhungen von 10% pro Jahr sind nicht selten, selbst 20% und mehr gibt‘s. Das kann die Phantasie anregen…

Besser schauen Sie sich ein reales Beispiel aus der Schweiz an: 

Reich werden mit Nestle

Nestle ist die grösste Schweizer Firma, und auch weltweit eine der 100 grössten Firmen. Wie jede grosse Firma hat sie eine teils dominante Stellung, und alles ist nicht so toll an dieser Firma. Bei diesem Beispiel geht es mir nicht darum, ob Sie in Nestle investieren sollen oder nicht – das müssen Sie selbst entscheiden. (Meine Eltern besassen ein paar Aktien von Nestle, und sie sind gut damit gefahren. Seit etwa zehn Jahren besitze ich selbst Aktien von Nestle, auch für mich gab's eine schöne Rendite. Ich glaub, einer meiner Söhne hat auch ein paar Nestle-Aktien...)   Hier geht es mir darum, zu illustrieren, wie sich eine erzkonservative Aktie über einen längeren Zeitraum entwickelt, und was dabei für die Aktionäre herausgeschaut hat.

Die Aktie von Nestle stieg von Ende 1992 bis Ende 2018 von 11.60 auf 82.30, die Dividende von 0.235 auf 2.45 Franken. Das entspricht einer jährlichen Kurssteigerung von 7.8% und einer Dividendensteigerung von jährlich 9.44%.

 Jahr  Kurs   Jährliche Zunahme  Dividende   Jährliche Zunahme
 1992 11.60    0.235  
 2018 82.30   7.83% 2.450  9.44%
 

Setzen wir diese Zahlen in unser Beispiel ein, so sieht das Ergebnis nach 26 Jahren in etwa so aus:

  • Sie sind Besitzer von 1'615 Aktien im Wert von je 59.60 
  • Sie haben Ihr eingesetztes Kapital von 20'000 Franken auf rund 265'000 erhöht. 
  • Sie erhalten nun Dividenden für über 7'800 Franken (eine Rendite von knapp 40% auf Ihre Investition)
  • Jährlich werden die Dividenden etwa 9% höher sein als im Vorjahr.
  • Die Aktien gewinnen noch weiter an Wert.

Nestle ist nun ja wirklich das Gegenteil einer spekulativen Anlage. Es gibt kaum eine langweiligere Anlage als Nestle, und trotzdem kann man damit phänomenal Geld verdienen. Und alles nur wegen diesem blöden Zinseszins…

Nestle ist in der Schweiz kein Einzelfall, auch wenn sie unter den Schwergewichten des SMI am besten abgeschnitten haben dürfte: Auch z.B. Roche konnte die Dividende zwischen 1996 bis 2014 von unter einem Franken auf 7.80 Franken steigern; von 2008 bis 2012 stieg die Dividende knapp 50%. Der Kurs der Roche-Aktie konnte sich zwischen 1996 und 2012 mehr als verdoppeln. Das entspricht einer Erhöhung der Dividende um jährlich etwa 13.5% und des Aktienkurses um 4.5%. Da ich keine Zahlen für einen Zeitraum von 20 Jahren zur Verfügung habe, sieht das Resultat nicht ganz so spektakulär aus wie bei Nestle – aber beeindruckend ist es immer noch. Wenn Sie 17 Jahre lang jährlich für 1000 Franken Roche-Aktien gekauft haben und alle Dividenden reinvestierten, besitzen Sie nun 195 Aktien im Gesamtwert von etwa 35‘000 Franken. Ihr Vermögen hat sich verdoppelt, und dieses Vermögen wirft nun jährlich mindestens 1400 Franken an Dividenden ab – eine Rendite von über 8% auf Ihrer Investition. Voraussichtlich nimmt die Dividende jährlich um etwa 13% zu. Das ist das Angenehme an dieser Art zu investieren.

Es liegt an Ihnen, den Zinseszinseffekt für sich arbeiten zu lassen. Wenn Sie so investieren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Sie Millionär sind. In 20 bis 25 Jahren haben Sie es geschafft, wenn Sie jährlich für 10‘000 Franken Nestle-Aktien kaufen und alle Dividenden reinvestieren (Steuern auf die Dividenden nicht berücksichtigt!). It’s no rocket science.

Die Nestle- und Roche-Beispiele sind noch aus anderen Gründen bemerkenswert. Sie beziehen sich ja auf die Jahre 1993, bzw. 1996 bis 2018. Wie sah es in diesem Zeitraum grundsätzlich an der Börse aus? Nicht gerade gut, oder? 2000 ein massiver Crash. 2007/08 Ausbruch der Finanzkrise, deren Folgen wir in Form von Negativzinsen heute noch deutlich spüren. Der SMI als wichtigstes Börsenbarometer der Schweiz stagnierte in den Jahren zwischen 2000 und 2010 fast völlig. Und trotzdem schauen diese unglaublichen Gewinne heraus, wenn Sie in Nestle oder Roche investiert haben?

Offensichtlich ist bei diesen Firmen ein seriöses Management am Ruder, welches sich nicht nur in guten Zeiten bewährt.

Vertrauen Sie der Firma, nicht der Börse

Wie schon gesagt, man hat gelegentlich den Eindruck, dass die Börse macht was sie will.

Der Investor Benjamin Graham hat im letzten Jahrhundert schon das schöne Bild von Mr. Market von geschaffen, und dieses hat seine Gültigkeit noch heute.

Mr. Market ist laufend bemüht, uns den Preis von allen möglichen Wertpapieren mitzuteilen. Mr. Market ist sehr fleissig, und er passt die Preise laufend nach oben und nach unten an. Wie er die Preise festlegt, ist grad abhängig von seiner Stimmung: Manchmal hat er gute Laune und denkt, dass alle Aktien viel wert sind. Manchmal hat er einen schlechten Tag und findet alle Aktien wertlos. Aber weil er immer etwa die gleichen Firmen beurteilt, liegt er öfter mal falsch mit seinen Preisangaben. Nur weil Mr. Market deprimiert ist, ist eine Firma nicht weniger wert. Und die Firma ist nicht mehr wert, nur weil Mr. Market frisch verliebt und deshalb euphorisch ist.

Dieses simple Bild erklärt bereits einen grossen Teil der kurzfristigen Kursschwankungen an der Börse. Aber langfristig ist der Aktienkurs einer Firma immer abhängig vom Gewinn, den die Firma erwirtschaftet. Kurz- und mittelfristig besteht oft wenig Zusammenhang zwischen Aktienkurs und Gewinn.

Nehmen Sie das Beispiel Microsoft. Der Kurs der MS-Aktie stieg bis etwa 2000 steil an und stagnierte dann über 10 Jahre lange. Eine Belebung des Kurses ist erst ab etwa 2011 feststellbar. Unter Steve Ballmers Führung hat Microsoft den Gewinn verdreifacht, ohne dass sich dies im Aktienkurs wesentlich ausgedrückt hat. Langfristig muss sich der steigende Gewinn aber auch für den Aktionär auszahlen: Ab Oktober 2013 fand eine Neubeurteilung von Microsoft statt, und es folgten klar steigende Kurse. Während der Aktienkurs mehr oder weniger stagnierte, wuchs die ausbezahlte Dividende jedes Jahr um 13% an, von 32 Cent im Jahr 2004 auf 112 Cent ab 2014.

Die Grafik unten zeigt neben vielem anderen die Entwicklung des Gewinns (grüne Fläche) über die letzten 20 Jahre, die Höhe der Dividenden (rosa Linie und hellgrüne Fläche) und den Aktienkurs (schwarze Linie). Lange passierte nach 2000 enttäuschend wenig mit dem Kurs der Aktie.


Andererseits war es nicht immer einfach, der Firma Microsoft zu vertrauen: Zu viele Strategien sind nicht aufgegangen, zu viele neue Produkte sind gefloppt, zu viele Mitbewerber haben sich grosse Stücke des einst unendlich erscheinenden Kuchens abgeschnitten – wenn Sie es so betrachten, ist erstaunlich, dass es Microsoft überhaupt noch gibt. Und trotz alledem: die Firma generiert Cash für ihre Aktionäre, dass es eine Freude ist. Angenommen, Sie hätten vor 20 Jahren, am 30. Juni 1999 10000 Dollar in Microsoft-Aktien, sähe die Rechnung Anfang Juli 2019 so aus:

  • Investiertes Kapital 10'000 USD
  • Wert der Aktien 33'493 USD
  • Kapitalgewinn 30'372 USD
  • Dividendenertrag ab 2004: 2'121.03 USD

Die Rechnung basiert auf der Annahme, dass Sie die Dividenden jeweils reinvestiert haben. Das Vertrauen in Microsoft hat sich durchaus bezahlt gemacht, wenn Sie ungeachtet aller Crashs, Rezessionen, Finanzkrisen, ungeachtet aller Konkurrenz, aller üblen Nachrede und Verteufelung, ungeachtet all der Flops, die der Softwarekonzern produziert hat und weiter produzieren wird, wenn sie also trotz alle dem an ihrer Investition von 10'000 Dollars in Microsoft-Aktien festgehalten hätten.

Wenn Ihr Vertrauen in die Firma aber nicht stark war, haben Sie spätestens irgendwann 2009 Ihre Microsoft-Aktien verkauft, weil der Kurs im Zusammenhang mit der Finanzkrise in den Keller ging. Die Krise löste massive Ängste aus, und alle Aktien verloren massiv an Wert, egal, wie solide die Firma aufgestellt war. Niemand wollte mehr Aktien haben. Aber Microsoft war immer noch eine Maschine, welche Geld verdiente, wenn auch nicht mehr ganz so üppig wie vorher. Und nach der Krise verdiente Microsoft wieder mehr, und das geht auf absehbare Zeit weiter so.

Und ich meine, verdienen: pro Quartal schauen mehrere Milliarden Dollar Gewinn raus, und der wird, mindestens zum Teil, an die Aktionäre ausbezahlt. Der Konzern zahlt jedes Quartal über 2 Milliarden Dollar an die Aktionäre aus. Da wird also durchaus mit der grossen Kelle angerührt…

Im Blog finden Sie einige Hinweise dazu, wie Sie ein Aktienportolio aufbauen können, und welche Aktien sich für diese Strategie eignen.